Wann die Holzschnitzerei in Tryavna sich als führendes Handwerk entwickelte, ist nicht bekannt. Die Umgebung, in der viel Holz zur Verfügung steht, die vielen Muster in der benachbarten Stadt Tarnovo, die aus dem Mittelalter stammen, sind eine Voraussetzung für das Aufblühen dieses Handwerks. Die Legende erzählt, wie hier die Holzschnitzkunst entstanden ist. Ein Mönch vom Athos-Kloster, der Vikentiy hieβ, war einmal unterwegs und verweilte kurz in Tryavna. Als er den Ort verlieβ nahm er einen kleinen Jungen mit, um ihm im Kloster sein Handwerk beizubringen. Als der Junge zurückkehrte, trug er den Mönchsname Vitan. Er beherrschte bis zur Vollkommenheit die Kunst der Holzschnitzerei und der Ikonenmalerei. Er wurde Stammvater der Familie Vitanovi – die größte Familie in Tryavna, aus der viele Holzschnitzer und Ikonenmaler hervorgegangen sind. Wunderschöne Holzschnitzerei schöpften auch viele Generationen der Familie Genchovtsi aus dem Genchovtsi-Weiler. Die Kunst der Holzschnitzerei als Handwerk wurde vom Vater dem Sohn beigebracht. Die Meister haben zuerst die Muster, die sie nachher aufs Holz schnitzen wollten, auf Papier gemalt. Die meisten von ihnen haben Muster mit Pflanzen bevorzugt - Rosen, Malven, Ringelblumen, Weinblätter sowie die Sonne als Symbol der Wiedererweckung zu neuem Leben. Unter den Zweigen und den Blättern kann man manchmal Pfaue, Tauben, Nachtigallen und sogar Kamele sehen. Die Umrisse der Zeichnung auf dem Papier wurden aufs Holz übertragen, das schon zum Schnitzen vorbereitet war. Die Meister von Tryavna haben mit Walnussbaum-, Linden-, Erlen-, Birnen-, Eichen-, Pappelholz gearbeitet. Manchmal haben sie verschiedene Holzarten gemischt, um die Schönheit des natürlichen Spiels der Holzfarben zu betonen. Sie führten ihre Arbeit mit Meiβeln mit verschiedenen Profilen aus. Die Holzschnitzerei war tiefer oder flacher („Kafezliya“). In dieser Kunst waren die Tryavnaer unübertroffene Meister. Mit der Hilfe der Schmiede haben sie selbst ihre Werkzeuge hergestellt.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts gab es schon in Tryavna Mauerzunft mit anerkannten Meistern. Im Lande wurden im 19. Jahrhundert viele Kirchen aufgebaut, deshalb zogen viele Baumeister aus Tryavna nach anderen Gebieten Bulgariens, wo sie mehrfach ihr Können bei der Ausübung des Handwerks bewiesen haben. Die Meister der Familie Genchovtsi aus dem Genchovtsi-Weiler hinterlieβen prachtvolle Architekturmeisterwerke. Die Meister der Familie Vitanovtsi waren zudem ausgezeichnete Ikonenmaler.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in Bedingungen, wenn die Konkurrenz durch die europäischen Waren überwunden werden musste, waren die Holzschnitzer aus Tryavna gezwungen, aus den Traditionen der Wiedergeburt in der Holzschnitzerei zurückzutreten. Ihre Kunstwerke verloren allmählich ihren authentischen Charakter.